Ein Profifußball für die Vielen, nicht nur für Wenige – Offener Brief an den Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga

Sehr geehrter Herr Seifert,

Nordrhein-Westfalen ist das Herzland des deutschen Profifußballs. Beim Kennenlernen steht hier häufig die entscheidende Frage „Zu wem hältst Du?“ und nicht „Woher kommst Du?“. Diskussion über legendäre Szenen, Begeisterung für die Atmosphäre im Stadion, Leidenschaft bei den Aktiven im Amateurbereich – der Zusammenhalt, der vom Fußball ausgeht, prägt NRW in besonderer Art und Weise. Es ist ein Sport für die Vielen, nicht für die Wenigen.

Spätestens die Corona-Krise lässt aber viele Anhängerinnen und Anhänger des Sports zweifeln, ob das im Profibereich immer noch gilt. Sie zweifeln an Spielern, die trotz Millionengehalts über Gehaltseinbußen klagen, während Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit klären müssen, wie sie finanziell über die Runden kommen. Sie zweifeln an Vereinen und Kommanditgesellschaften, die trotz einer Pandemie eine Saison, die bereits zu 75% absolviert wurde, irgendwie beenden müssen. Weil ihr Finanzierungsmodell auf Kante genäht ist. Gleichzeitig erkennen andere Profisportarten und Ligen, dass eine Durchführung aktuell keinen Sinn macht. Weil die Gesundheit für Aktive und Zuschauer vor geht.

Sie sind verwundert über Sportmediziner, die tausendfach Profis testen sollen, während Beschäftigte in Medizin und Pflege trotz täglicher Gefahr keine Abstriche erhalten. Sie sind irritiert über Funktionäre, die trotz Corona-Erkrankungen eine Informationssperre erlassen, während der Bundesgesundheitsminister über einen Immunitätsausweis sinniert.

Die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Profifußball der Gesellschaft eine Sonderrolle abverlangt, sorgt selbst bei den eingefleischten Fans für großes Unverständnis. Sehr viele Menschen gerade in NRW vermissen den Sport in den Stadien, wollen aber nicht weiter als Mittel zum Zweck betrachtet werden. Es droht das unrühmlichste Saisonfinale in der Geschichte der Bundesliga, bei dem wenig Rücksicht auf diejenigen genommen wird, auf die es ankommen sollte: auf die Fans und auf die Zuschauer. So wird der Profifußball ein Sport für die Wenigen, nicht für die Vielen.

Das Corona-Virus hat den Profifußball nicht in die Krise geführt, macht diese aber sehr deutlich. Das kann Ihnen nicht egal sein, Herr Seifert. Und Ihre aktuelle Forderung, eine Diskussion über derartige Fehlentwicklungen führen zu wollen, zeigt: Es ist Ihnen auch nicht egal. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Die Rückkehr zur vermeintlichen „Normalität“ des Geschäfts wäre ein falsches, ein fatales Zeichen.

Auch Ihr Vorschlag, die Einführung von so genannten „Salary Caps“ nun voranzutreiben, findet bei vielen Fußballbegeisterten, die sich für eine soziale und demokratische Gesellschaft in NRW einsetzen, große Unterstützung. Denn eine solche Begrenzung von Beraterhonoraren, Ablösesummen und Spielergehältern ist jetzt die richtige Maßnahme, um den immer größer werdenden Absurditäten des Geschäfts entgegenzutreten. Damit ließe sich dafür sorgen, dass die Freude in die Stadien wirklich zurückkehren kann.

Hier wäre zunächst eine Selbstverpflichtung der europäischen Ligen ein wichtiges Signal, um zu zeigen, dass die Verantwortlichen die Entscheidungen wieder aus der Perspektive eines Sports für die Vielen treffen wollen. Die Bundesliga könnte hier mit einem eigenen Regelwerk vorangehen und die Grenzen der Unvernunft im Spannungsverhältnis von Sport und Wirtschaft vorbildlich aufzeigen.

Sollte es in einzelnen Verbänden oder bei Vereinen Widerstand geben, so kann die Politik sicherlich einen Vermittlungsrahmen schaffen. Denn der Profisport hat Vorbildcharakter. Lassen Sie uns an den Stellen, an denen gesellschaftliche Verantwortung nicht übernommen wird, gemeinsam mit den Entscheidungstragenden das Gespräch führen, um die Diskussion um die „Salary Caps“ wirklich zielführend zu gestalten. Über Ihre konkreten Hinweise, wo sich hier Schwierigkeiten auftun, bin ich Ihnen dankbar.

Auf dieser Basis sollten wir auch politische Regulierungsmaßnahmen erörtern, die Sie im „Kicker“ aktuell selbst fordern. Die Sozialdemokratie hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder für eine gesetzliche Regelung von Maß und Mitte bei Spitzenvergütungen stark gemacht. Eine steuerliche Abzugsbeschränkung für unangemessene Gehälter, Honorare und Spielerablösen wäre dafür ein denkbarer Einstieg.

Ja, NRW ist ein Fußballland. NRW ist aber auch das Bundesland, in dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Herz und Verstand für faire Rahmenbedingungen einstehen. Deswegen bekomme ich als Vorsitzender der SPD-Fraktion im NRW-Landtag aktuell viele Fragen, aber auch gerade von Fußballbegeisterten einiges an Unverständnis zum Verhalten der Liga mitgeteilt. Deshalb schreibe ich Ihnen diesen offenen Brief.

Lassen Sie uns die verschiedenen Perspektiven zusammenbringen, um mit faireren Spielregeln für den Profifußball die breite Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft und das Vertrauen in eine faire und leistungsgerechte Entlohnung zu sichern. Hierzu lade ich Sie gerne zum direkten Austausch via Videokonferenz in den kommenden Tagen ein.

 

Über Ihre Antwort freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kutschaty

Offener Brief an den Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga